Der unaufhaltsame Aufstieg des Infektionsschutzmarktes

von Dr. Klaus Ruhnau

Der globale Markt für Produkte zur Infektionskontrolle und zum Schutz vor Infektionen wird 2025 ein geschätztes Volumen von 258,3 Milliarden US-Dollar erreichen. Wichtigster Treiber ist der weltweite Anstieg von Infektionen, die in medizinischen Behandlungs- und Pflegeeinrichtungen erfolgen. Selbstführende Gesundheitssysteme stehen vor großen ökonomischen und sozialen Herausforderungen.  Investitionen in die Patientensicherheit sind dringend erforderlich.

In Europa erkranken gem. European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) jeden Tag 80 000 Patienten an einer nosokomialen Infektion (NI). 91.000 Patienten sterben als direkte Folge einer NI in Europe, 99.000 in den USA. Für Deutschland schwanken die Zahlen zwischen 400.000 und 1,2 Mio. NI´s pro Jahr. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V. in einer Hochrechnung von 800 000 bis 1,2 Millionen NI´s und 20 000 bis 30 000 Todesfällen pro Jahr aus. Das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen zählte 2013 in seinem Qualitätsbericht 975 000 NI´s pro Jahr und das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt die Zahl der Patient*innen, die sich im Krankenhaus mit einem Erreger infizieren auf 400 000 bis 600 000. Ungefähr 10 000 bis 15 000 dieser Krankenhausinfektionen führen dem RKI zufolge zum Tod.

Besonders bedrohlich ist die wachsende Zahl antibiotika-resistenter Erreger, die an NI´s beteiligt sind. An einer Infektion mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus, kurz MRSA, erkranken in Deutschland jedes Jahr 55 000 Patienten. Die Folgen: Höheres Sterblichkeitsrisiko, schwere Nebenwirkungen, längere Krankenhausverweildauer.

Ein Drittel aller Infektionen vermeidbar

Einigkeit besteht bei den Experten in Bezug auf die Vermeidbarkeit von NI´s: Mindestens einem Drittel ließe sich mit einem konsequenten Infektionsschutz vorbeugen. Im Zentrum der Präventivmaßnahmen steht die Krankenhaushygiene, vor allem die Hände- und Flächenhygiene. Krankheitserreger werden zu 90 Prozent über die Hände übertragen. Die alkoholische Händedesinfektion ist die wichtigste Einzelmaßnahme im Kampf gegen Infektionen und könnte allein schon die Rate nosokomialer Infektionen um bis zu 40 % reduzieren.

Das Problem: Um Infektionen tatsächlich signifikant reduzieren zu können, muss Experten zufolge ein Schwellenwert bei der Händehygiene-Compliance von 80 %  erreicht werden. Derzeit wird weltweit nur eine Quote von 30 % Prozent erzielt. In Deutschland beträgt die Umsetzung der Händedesinfektion  in den erforderlichen Momenten zwischen 41 % und 55 %, mit hoher Variationsbreite innerhalb der Gesundheitseinrichtungen.

Tiefgreifender Systemwandel notwendig

Wer die Compliance in der Hände- und Flächendesinfektion erhöht, hält also einen wichtigen Schlüssel zur Senkung der Infektionen und der damit verbundenen Kosten in der Hand. Die Etablierung eines wirkungsvollen Infektionsschutzes erfordert zunächst von vielen Einrichtungen einen System Change – einen tiefgreifenden Organisations- und Verhaltenswandel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht daher von der Notwendigkeit strukturell tiefgreifender Prozesse in Gesundheitseinrichtungen aus, um die Patienten weltweit vor behandlungsassoziierten Infektionen zu schützen. Mit acht Kernelementen soll die Prävention und die Eindämmung multiresistenter Erreger nachhaltig gelingen:

  • Einrichtungsspezifische Programme zum Schutz vor Infektionen und zur Infektionskontrolle mit klar definierten Zielen, einem jährlichen Arbeitsplan, einem definiertem Budget und entsprechenden Ressourcen
  • Einhaltung evidenz-basierter Leitlinien, die den Gegebenheiten vor Ort angepasst werden und deren Einhaltung überwacht wird
  • Fortbildung und Schulung aller Mitarbeiter unter Einbeziehung partizipatorischer und digitaler Methoden
  • Surveillance: einrichtungsspezifische Überwachung nosokomialer Infektionen mit ausreichend mikrobiologischen Laborkapazitäten
  • Multimodale Strategien, die wissenschaftlich belegt, die beste Strategie sind, um Verhaltensänderungen zu erzielen
  • Monitoring und Feedback zur Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen der Mitarbeiter als Schlüsselfaktor für die Verbesserung des Hygienestandards
  • Bettenbelegung und Arbeitsbelastung orientiert an Standardkapazitäten
  • Gewährleistung einer Infrastruktur, die den Zugang zu allen benötigten Materialien für eine hygienische Versorgung sicherstellt

Einhaltung der Infektionsschutzvorgaben als Wachstumstreiber

Eine größere Durchdringung der Maßnahmen zum Infektionsschutz sind ein wichtiger Wachstumsfaktor für den gesamten Markt für Produkte zum Infektionsschutz und zur Infektionskontrolle. Gesundheitseinrichtungen werden sich künftig stärker auf die Umsetzung von Strategien zur Früherkennung, Surveillance, Prävention und Kontrolle NI´s konzentrieren. Innovative, digitale Schulungskonzepte wie Apps werden dazu beitragen, dass die Mitarbeiter*innen die erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen häufiger und zuverlässiger umsetzen.

Markt mit langfristigen Chancen

Kostendruck durch die Alterspyramide und multiresistente Erreger, steigende Qualitätsanforderungen, Pay-for-Performance-Systeme, die die Hygienequalität einbeziehen und steigende Regulierungen sind weitere Faktoren, die die Attraktivität von Investitionen in den Infektionsschutz erhöhen. Infektionsschutzprodukte werden dabei zum betriebswirtschaftlichen Hebel, Kosten zu senken und die Qualität der Versorgung zu steigern.

Innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre wird sich weltweit ein großes Potenzial für Produkte zum Infektionsschutz entwickeln. Die wesentliche Herausforderung bleibt allerdings:  Ein System Change für Gesundheitseinrichtungen. Unternehmen, die bei ihren Produktlösungen auf integrierte, prozessorientierte Konzepte setzen.

Lesen Sie hier unseren vollständigen Healthcare Report


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